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Was haben wir davon?

 Von Zeit zu Zeit erinnern wir uns der Schöpfungsgeschichte des Menschen als eines Mythos, als einer Erzählung. Der eigentliche Mythos vom Menschen hatte bisher zwei Richtungen: Woher kommen wir, wohin gehen wir? Sich um einen Mythos zu versammeln und ihm ein Bauwerk zu errichten, ist eine geistige Angelegenheit von politisch-kulturellem Rang. Es erfüllt keinen unmittelbaren materiellen Zweck, wenn es darum geht, sich eine Geschichte zu vergegenwärtigen, der Geschichte vom Menschen.

 

Die Skulptur »Büchse der Pandora« ist nicht fertig. „Ich hatte ja nur einen Traum.” Ihre Ausführung ist eine technische und geistige Herausforderung. Hierbei muß nichts erobert werden; es soll gemeinsam etwas geschaffen werden, ein großes Bild.

 

Im naturwissenschaftlichen Mythos vom Menschen liegen unsere Herkunft und Zukunft zerstreut vor in einem Werden und Vergehen ohne Ziel, einer zufälligen Genetik, gesteuert von Versuch und Irrtum ein Durchgang ohne Wiederkehr. Im Mythos unserer Schöpfung liegt dagegen eine Größe vor und ein Versprechen. Zukunft ist, wohin wir gehen. Zurzeit  fühlen wir uns noch nicht einmal mehr groß genug, überhaupt eine Zukunft zu sehen und sie uns als Geschichte zu erzählen. »Büchse der Pandora« ist als  Prozeß und Bauwerk eine “Investition in die Zukunft”. Der Gewinn dieser Investition geht in die geistige Entwicklung des Menschen.
Erica Kalika Blöchlinger
Das Gute im Bösen

Das Böse ist immer und überall. Das Böse ist allgegenwärtig, denn es ist nichts anderes als die Rückseite des Guten. Seit der Mensch trotz göttlicher Vorwarnung vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen gegessen hat, das heisst, seit er ur-teilt und ver-ur-teilt, hat sich das Böse scheinbar verselbständigt. Ehedem waren Gut und Böse im Ur-Bewusstsein eine untrennbare Einheit wie Tag und Nacht, Flut und Ebbe, Einatem und Ausatem - wie Pluspol und Minuspol der Elektrizität. Ohne das Eine kann auch das Andere nicht sein, und vernichtet man die eine Hälfte, so zerstört man unweigerlich auch die andere. Man denke an das Yin-Yang-Symbol: Löscht man Ying aus, so verschwindet auch Yang.

Wie könnte das Gute je ohne das Böse existieren? Ist es nicht gerade das vermeintlich Böse, das letztlich das Gute hervorbringt, und das vermeintlich Gute, das sich früher oder später als Böses entpuppt? Unverständlich ist nur, dass die Menschen diese simple Gesetzmässigkeit über die Jahrtausende ihrer Geschichte bis zum heutigen Tag nicht begriffen haben - nicht begreifen wollen. Stattdessen glauben sie trotz gegenteiliger Erfahrungen, das Böse mit dem Guten bekämpfen zu müssen. So rief denn auch der amerikanische Präsident Bush sofort nach dem Terroranschlag aus: Es wird ein Kampf des Guten gegen das Böse sein und das Gute wird siegen! Schon dieser Ruf ist ein Widerspruch in sich selbst, denn sobald das Gute militant wird, ist es ja nicht mehr gut, sondern aggressiv und somit böse. So kämpft letztlich das Böse gegen sich selbst, was nichts als Selbstzerstörung bedeutet. Seit dem Sündenfall leben wir nicht mehr im Bewusstsein der paradiesischen Einheit des Sowohl-als-Auch, sondern in der Hölle des Entweder-Oder.

Kenntnis von dieser Gesetzmässigkeit ist aber keineswegs ein Freipass zur Ausübung des Bösen, ganz im Gegenteil. Menschen die erkannt haben, dass alles seine zwei Seiten hat, sind beileibe nicht heute Gutmenschen und morgen Bösewichte, je nachdem, aus welcher Richtung der Wind gerade weht. Nein, diese Menschen bleiben in all ihrem Tun und Denken dem Guten und der Ethik verpflichtet, wozu natürlich auch gehört, dass sie jene Mitmenschen nicht verurteilen, die anders denken oder handeln als sie. Vielmehr werden sie versuchen, sich diesen Menschen im Dialog zu nähern. Lieber Unrecht erdulden, sagen sie sich, als Unrecht tun.

Was verstehen wir überhaupt unter böse? Weisen wir nicht alles Bedrohliche als böse von uns, das unserem Ego in irgend einer Weise Schmerz, Verlust oder Angst zufügt? Wir haben zwar in jüngster Zeit gelernt, Naturgewalten wie Überschwemmungen, Orkane und Feuer als neutrale Kräfte anzunehmen, da wir weder Gott noch die Natur zur Rechenschaft ziehen können. Auch ein Kind stufen wir nicht als böse ein, wenn es seinem Spielgefährten mutwillig ein Spielzeug kaputt macht oder ihm wütend ins Gesicht schlägt. In unseren Augen ist das Kind nicht böse, nur unwissend. Kurzen Prozess machen wir dagegen mit einem unschuldigen Tier, das aus Angst oder Verstörtheit einen Menschen verletzt oder einen Unfall verursacht; es wird einfach niedergeknallt. Sein Leben ist ja nichts wert, auch wenn es vielleicht die einzige Freude einer vereinsamten alten Frau war, die jetzt um ihren toten Freund trauert. Und zerstört gar ein volljähriger Mensch unser Spielzeug (Eigentum) oder greift er uns an, so ist er ein Krimineller und wird verurteilt. Weiss denn dieser überhaupt, was er tut, nur weil er volljährig ist? Ist dieser Erwachsene nicht meist davon überzeugt, im Rahmen seines Glaubens oder seiner anerzogenen Überzeugungen etwas Gutes zu tun, wenn er den bösen Feind vernichtet oder ihm etwas wegnimmt, was ihm gar nicht rechtmässig gehört?

Wie war das seinerzeit bei Jesu Kreuzigung? Glaubten die Pharisäer und Schriftgelehrten etwa nicht, sie würden etwas Gutes tun, wenn sie diesen Gotteslästerer und Volksverführer, der von sich selbst behauptet, Gottes Sohn zu sein, zum Schweigen bringen? Und was tat er, dieser Gotteslästerer, um sich zu rächen? Rief er seine Jünger auf, seine Feinde zu vernichten? Nein, hörbar für alle und bis in unsere Zeit hinein betet er am Kreuz:

Verzeih ihnen, Vater, denn sie wissen nicht, was sie tun.

Wissen wir Heutigen denn, was wir tun? Sind wir trotz zweitausend Jahre Christentum nicht unwissende Barbaren geblieben? Wie sieht denn unsere christliche Vergangenheit aus? Was taten die Eroberer Amerikas mit den Eingeborenen des Landes, den Indianern? Wo sind die Indianer heute und wie geht es ihnen? Und was war mit dem Sklavenhandel? Wie geht es den Afrikanern heute? Was treibt wohl die Taliban an, ihr eigenes Land in wildem Hass zu zerstören und jeden auf der Stelle umzubringen, der ihrer Meinung nach nicht nach Gottes Gesetzen lebt? Und sind die muslimischen Fundamentalisten etwa nicht davon überzeugt, etwas Gutes für Gott zu tun, wenn sie uns, die ungläubigen Gotteslästerer und unsere sündhafte Kultur vernichten? Sollten wir Christen diese Selbstmord-Helden, die ihr Leben für die Sache Gottes hingeben, nicht bemitleiden und versuchen, mit ihren Drahtziehern zu kommunizieren, statt sie zu verfolgen?

Das Böse hat viele Gesichter und viele Namen. Einmal hiess es Hunger, Pest, Seuche, oder Epidemie, ein anderes Mal Krieg, Kolonialisierung, Sklaventum oder Terrorismus. Immer wieder versucht die Menschheit, das Böse zu personifizieren, um es dort draussen in den Griff zu bekommen und auszurotten. Momentan heisst das Böse Osama Bin Laden, vor ein paar Jahren hiess es noch Saddam Hussein und in meiner Kindheit hiess es Adolf Hitler. Dass diese Namen nichts als Projektionsflächen sind für das Böse, das wir in uns selbst nicht wahrhaben wollen, sollte uns jetzt langsam bewusst werden. Böse ist ja immer das, was uns die Welt spiegelt, was unserem Ego Angst macht und unser Hab und Gut bedroht.

Keiner will zum Beispiel auf seine Mobilität verzichten, aber niemand will den Fluglärm oder die Luftverschmutzung, die Hand in Hand mit der Mobilität gehen. Alle wollen Wohlstand, niemand will Armut. Kommen aber die Armen auf uns zu und holen sich einen Teil unseres Reichtums, so sind sie in unseren Augen Verbrecher und gehören hinter Gitter. Allerdings gibt es auch ganz clevere Kapitalverbrecher, die sich als Gutmenschen tarnen, als barmherzige Anwälte der Holocaust-Opfer. Solchen Böslingen in unseren eigenen Reihen gelingt es, völlig straffrei und erst noch legal Millionen zusammenzuraffen, die ihnen gar nicht gehören. Und sie werden nie zur Rechenschaft gezogen - im Gegenteil - eines Tages werden sie womöglich noch heiliggesprochen.

Es wäre müssig, hier alles Böse und Verlogene aufzählen zu wollen, das Wissenschaft und Politik in die Welt gesetzt haben, um unsere Sicherheit und Lebensqualität zu verbessern. Atombomben, Abwehrraketen, Armeen, Massenvernichtungswaffen, Panzer, Biochemische-Terrorabwehr, Gefängnisse, Todesstrafen, unerbittliche Gesetze und scharfe Sicherheitskontrollen, Genmanipulationen, Massentierversuche, Tierfabriken, Massenimpfungen, Transplantationen und Massenabtreibungen sind nur ein paar der legalen Scheinheiligkeiten, die uns ein besseres Leben auf Erden versprechen, in Wahrheit uns aber das Leben zur Hölle machen - und den wirklichen Verbrechern unter uns freie Hand geben für ihre abscheulichen Greueltaten.

Eigentlich wäre jetzt der Zeitpunkt der Besinnung und der Selbsterkenntnis gekommen, die Stunde der Wahrheit, in der wir uns bewusst werden, dass wir versagt haben und auf dem besten Weg sind, uns selbst und unseren Planeten zugrunde zu richten. Jetzt wäre eine Pause angesagt, statt so schnell wie möglich zurück zur Normalität zu finden. Hat Amerika sich wohl gefragt, w a s es denn wohl sein könnte, woran sich ihre Angreifer stossen? Bringt die USA und mit ihr die westliche Welt überhaupt den Mut und die Ehrlichkeit auf, sich selbst und ihre Machenschaften einmal schonungslos zu hinterfragen? Stellen sich die Amerikaner wohl je die Frage, wieso gerade der Doppelturm - die Doppelmoral - des World Trade Center zerstört wurde?

Wenn wir begreifen, dass Gut und Böse eine untrennbare Einheit bilden, so verstehen wir vielleicht auch, dass die Tugend des Einen die Sünde des Anderen sein kann, und dass es Völker gibt auf dieser Erde, die sich mit unserer egozentrischen Lebensweise nicht befreunden können. Standen die beiden Zwillingstürme in New York etwa nicht gerade als Symbol dieser weltweiten Zwiespältigkeit und Doppelzüngigkeit, die durch das Auseinanderreissen der Einheit entstehen?

Jetzt könnten die Amerikaner - und mit ihnen die ganze Welt - zur Einsicht gelangen, sich von der Dualität verabschieden und zurück ins Bewusstsein der Einheit finden. Statt wieder einen unsinnigen Krieg zu führen und noch mehr Elend über die Welt zu bringen, könnten sie anstelle der zwei zerstörten Türme einen einzigen neuen Turm der Einheit bauen, in dem alle Völker sich in Eintracht zu einem Dialog zusammenfinden, statt sich gegenseitig umzubringen. Der neue Turm stünde dann als Wahrzeichen einer vereinten Vielfalt, in der alle Wesen - auch Tiere und Pflanzen - angstfrei und in Harmonie zusammen leben, ohne dass Stärkere die Schwächeren ausbeuten.

Utopie? Ja, da denkt man unwillkürlich an den anderen symbolträchtigen Turm - den biblischen Turm zu Babel - der mit seiner Spitze bis an den Himmel hätte reichen sollen. Doch offenbar gefällt es Gott nicht, wenn die Menschen sich so grössenwahnsinnig gebärden. So verwirrte er den Erbauern die Sprache, so dass keiner mehr die Sprache des anderen verstehen konnte und der Turm nie fertig gebaut wurde.

Ist unsere Sprache nicht auch heute noch verwirrt, so dass keiner dem anderen zuhören kann? Vielleicht braucht es auch heute noch das vermeintlich Böse, um die Menschen zur Mässigung und zur Umkehr zu bewegen?

Erica Kalika Blöchlinger
Verlag Uroboros - Bern, www.uroboros.ch

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